SPD Meersburg

Diskussion des Haushalts im Bodenseekreis

Veröffentlicht am 13.12.2023 in Fraktion

Bei Haushaltsberatungen im Kreistag hat unser Fraktionsvorsitzender Norbert Zeller klar gemacht, welchen Aufgaben der Kreis auch in Zeiten klammerer Kassen nachkommen muss. Zeller sprach über Bildung, den ÖPNV und die Flüchtlingspolitik – und stellte auch die AfD für die jüngsten Ereignisse in Salem zur Rede.

"Der Haushalt 2024 ist der erste Haushalt unter Ihrer Federführung Herr Prayon. Und Sie haben bereits deutliche Zeichen gesetzt. Das gilt sowohl für die Höhe der Kreisumlage als auch für die investiven Maßnahmen.

Die SPD-Kreistagsfraktion macht Politik für die Menschen und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen im Bodenseekreis. Wir machen Politik für die Schwachen, Benachteiligten ebenso wie für diejenigen, denen es besser geht. Für Familien, für junge und ältere Menschen.

Bei der Bewertung des Haushalts gilt für uns der Grundsatz Pflicht vor Kür, wobei wir die im Haushalt festgelegten sogenannten Freiwilligkeitsleistungen, mit einer Ausnahme, befürworten. Schließlich waren es Anträge von uns, die nach und nach mehrheitsfähig wurden, wie z. B. die Förderung der DLRG Bodenseekreis, oder die Unterstützung der Tafeln, oder die Schaffung von Stellen für die Kindergartenfachberatung und den Jugendreferenten, oder die Bildung eines Kreisjugendrats, oder mehr Menschen mit Handicaps beim Landratsamt zu beschäftigen.

Pflicht vor Kür bezieht sich auf das Thema Bildung. Wir waren uns im Kreistag immer einig, dass wir eine optimale Ausstattung unserer Schulen brauchen. Dazu zählen wir auch das vom Bund geförderte Digitalisierungsprogramm. Eine bestmögliche Ausbildung unserer jungen Menschen hilft uns den Wohlstand und unseren starken Wirtschaftsstandort zu sichern. Gleichzeitig wissen wir, dass auch im Bodenseekreis Fachkräfte im Bereich Gesundheit und Pflege, im Baubereich, in der Industrie und Handwerk, im Handel, im Verkehrs- und Logistikbereich und in der Gastronomie dringend gesucht werden. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente, die Nachrückerzahl hat sich halbiert. Schon allein deshalb brauchen wir eine massive Einwanderungszahl, um die drohenden Wohlstandverluste aufzuhalten. Und hier sind wiederum unsere allgemeinbildenden und insbesondere beruflichen Schulen gefordert, durch eine intensive Sprachförderung, durch Unterstützungsma.nahmen jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Wir wollen unsere Schulen auf diesem Wege unterstützen, so gut es geht. Die neueste PISA-Studie hat gezeigt, wie wichtig eine gezielte Sprachförderung ist, die bereits im Kindergartenalter beginnen muss. Denn wir wollen kein Kind zurücklassen.

Aber auch die hohe Zahl von Schulabgängern ohne Abschluss ist nicht zu akzeptieren. Die Anzahl im Bodenseekreis ist besonders hoch. Deshalb pochen wir auf eine enge Kooperation von Schulverwaltung, sprich Staatliches Schulamt Markdorf und der Kreisverwaltung, sprich Jugendamt, Handwerk und Industrie. Es ist unsere Pflicht junge Menschen fit zu machen. Das ist wichtig für unseren Wohlstand aber auch für unsere Demokratie.

Mit der Sanierung der Werkstätten am Berufsschulzentrum Friedrichshafen, den Laboreinrichtungen der Elektronikschule Tettnang und der Lehrküche der HOGA in Tettnang leisten wir einen wichtigen Beitrag zur beruflichen Bildung. Wir drängen allerdings auch auf eine rasche räumliche Verbesserung am Berufsschulzentrum in Überlingen. Jetzt gilt es die Planungen schnellstmöglich voranzubringen. Kreis und die Stadt Überlingen sind gefordert.

Den menschengemachten Klimawandel kann niemand mehr leugnen! Er ist auch bei uns längst angekommen, auch wenn dies, vor allem die Leugner auf der rechten Seite nicht sehen wollen. Es ist deshalb gut, dass der Bodenseekreis im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung Energie- und Mobilitätskonzepte entwickelt hat und durch eine personelle Verstärkung auch umsetzen kann.

In unserem Zuständigkeitsbereich des ÖPNV investieren wir viel. Anerkennung auch an die CDU und FW. Ihre Einstellung dazu hat sich in den letzten Jahren um 180 Grad gedreht. Notwendig ist, dass auch der Bodensee zum ÖPNV-Gebiet gehört. Dazu werden wir demnächst einen eigenen Antrag einbringen. Auch beim Ausbau des Radwegenetzes gibt es eine große Übereinstimmung.

Beim Straßenbau allerdings sieht es etwas anders aus. Zwar drängen wir mehrheitlich im Kreistag auf die rasche Planung der B 31 neu auf der Trasse B1 (vierstreifig ohne Randstreifen). Ebenso drängen wir auf den zügigen Fortgang der B 30, als Teil des Gesamtverkehrskonzepts. Aber angesichts der sehr schwierigen Finanzlage unseres Kreises fordern wir CDU und FW auf, die Entscheidung zur Ortsumfahrung Markdorf angesichts der aktuellen Entwicklung nicht nur zu überdenken, sondern die Reißleine zu ziehen. Die Ortsumfahrung Markdorf gehört nicht zu unseren Pflichtaufgaben.

Ebenso deutlich sagen wir in Richtung Land: Wir sind nicht bereit die bislang hohen Planungskosten für den Ausbau und die Elektrifizierung der Bodenseegürtelbahn weiter zu tragen.

Noch immer ist diffus, was die Kostenabrechnung der Leistungsphasen eins und zwei angeht. Rechnet man mit einem Stundensatz für eine Ingenieurleistung von 100 Euro, müssten 100.00 Stunden geleistet worden sein. Da gibt es ein großes Fragezeichen. Und wann und wie sich die LP 3 und 4 gestalten, ist noch diffuser.

Wir beantragen hiermit, dass die DB in der nächsten Kreistagssitzung einen Bericht abgibt und Rede und Antwort steht. Auch über die steigenden Baukosten. Aktuell müsste allein der Bodenseekreis knapp 13 Mio. Euro dafür aufbringen, auf Grund der neuesten Ergebnisse der Eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Untersuchung, wonach die Baukosten inzwischen auf 648,3 Mio. Euro gestiegen sind. Andere Bundesländer übernehmen die kommunalen Kosten, zumindest weitgehend. Seien Sie Herr Prayon am 10. Januar bei den kommenden Verhandlungen mit dem Land hart. Wer schließlich eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen auf der Schiene erreichen will, wie dies Verkehrsminister Winfried Hermann auf seine Fahnen schreibt, der muss mehr tun als bislang. Der Ausbau der Bodenseegürtelbahn ist keine kommunale Aufgabe und gehört deshalb nicht zu den Pflichtaufgaben.

Für die SPD-Kreistagsfraktion sind Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und den klimafreundlichen Umbau kein Luxus, sondern sinnvolle notwendige Ausgaben. Und der Klimaschutz ist gleichzeitig auch ein Jobmotor. Allerdings appellieren wir an alle Beteiligten die Planungsprozesse deutlich zu beschleunigen.

Wer sich den Haushalt genau angeschaut hat, wird feststellen, dass kein Wort über den Neubau des Landratsamts zu finden ist. Natürlich können wir verstehen, dass Sie Herr Prayon andere Aufgaben angesichts der schwierigen Finanzlage vorziehen. Aber ich sage deutlich: Für die SPD-Kreistagsfraktion gehören ordentliche Arbeitsbedingungen für unsere ca. 1400 Beschäftigte zu den Pflichtaufgaben. Nicht alles lässt sich im Homeoffice erledigen. Wir verlangen von Ihnen, dass Sie ein Konzept vorlegen, wie es mit diesem Thema weitergehen soll. Mit dem ersten Bauabschnitt würden wir nicht nur unsere Rettungsleitstelle optimieren, sondern wir würden auch dringend benötigten Wohnraum für unsere Beschäftigten schaffen und dringend benötigte Kindertagesplätze anbieten können.

Was geschieht mit dem 2. Bauabschnitt? Ist er ad acta gelegt? Soll der Altbau in der Glärnischstraße saniert werden? Wie sieht dazu das Konzept aus? Alles Fragen, die in der Luft hängen. Und um es auch nochmals deutlich zu sagen: Für uns ist das Konzept des Landratsamtsneubau schlüssig. Ob wir den 3. Und 4. Bauabschnitt dann noch brauchen, wird sich zeigen. Gefordert ist allerdings auch die Stadt Friedrichshafen, die endlich den Bebauungsplan voranbringen muss, denn weitere Wohnungen und Kitaplätze müssten auch im Interesse der Stadt liegen.

Und nun meine Damen und Herren komme ich zu dem Thema, das uns alle aktuell sehr beschäftigt. Es geht um die Flüchtlingspolitik und deren Auswirkungen für den Bodenseekreis. Ausdrücklich hervorheben möchte ich den offenen, und in der Diktion konstruktiven Brief von Bürgermeister Reinhold Schnell (Kreisvorsitzender des Gemeindetags Bodenseekreis) an Bund und Land. Deutlich wird auf die Belastungen und Grenzen der Gemeinden hingewiesen. Der Brief endet: „Wir wollen deshalb nochmals nachdrücklich, weitere schnell wirksame Maßnahmen sowie Entscheidungen seitens des Bundes und des Landes, welche uns in die Lage versetzen, die Herkulesaufgabe der Geflüchteten-Unterbringung meistern zu können.“ Genau darüber werden wir in der nächsten Kreistagssitzung ausführlicher sprechen, denn es liegt dazu ja ein Antrag der CDU-Fraktion vor. Und ich kann heute schon ankündigen, dass die SPD-Kreistagsfraktion dazu einen Resolutionsantrag auf der Basis des Gemeindetags einbringen wird, den übrigens schon zahlreiche Kommunen, darunter Markdorf, verabschiedet haben.

Aber eins will ich heute feststellen: Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, das für uns nicht zur Disposition steht. Und ich bin Ihnen Herr Prayon dankbar, dass Sie dies auch in Ihrer Haushaltsrede so unmissverständlich klar gesagt haben, nämlich, „dass das individuelle Grundrecht auf Asyl niemals in Frage gestellt werden darf.“ Vor drei Tagen, am 10. Dezember 1948, also vor 75 Jahren, wurde die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ verabschiedet. Und in Artikel 1 heißt es: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“. Und dann die klare unmissverständliche Verpflichtung in Artikel 14: (1) Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“.

Ende 2022 waren weltweit mehr als 71 Millionen Menschen auf der Flucht innerhalb der Grenzen ihres eigenen Landes – nicht Richtung Deutschland. Klar ist, dass wir in Deutschland und Europa nicht alle Schutzsuchenden aufnehmen können. Wie gesagt, darüber werden wir noch sprechen. Auch über die bereits beschlossenen Maßnahmen und wie wir z. B. Geflüchtete schneller in Arbeit bringen können. Ob allerdings der Kreistag des Bodenseekreises über die „Durchführung der Asylverfahren in geeigneten Drittstaaten und keine Einreise ohne zuverlässige Klärung der Herkunft“ (CDU-Kreistagsfraktion) zuständig ist und entscheiden kann, wage ich zu bezweifeln.

Mit Sicherheit steht die Forderung nach einer Einführung einer „Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland“ im Widerspruch zum geltenden Recht, zum Grundrecht Asyl.

Wir brauchen also Lösungen, die mit dem Grundrecht auf Asyl vereinbar sind. Und in diesem Zusammenhang möchte ich den zahlreichen Helferkreisen, den Ehrenamtlichen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen (Gemeinden, Bodenseekreis) ganz herzlich Danke sagen für ihren unermüdlichen, sozialen, menschlichen Einsatz. Das gilt auch für jene, die sich im besonderen Maße um die unbegleitenden minderjährigen Ausländer kümmern. Wir wissen, welche enorme Leistung und Engagement das Jugendamt erbringt. Und ich sage es deutlich: Wir vertrauen auf die Kompetenz der Verwaltung, zu wissen, wie alt die Minderjährigen sind.

Das Gegenteil von Hilfe ist allerdings, was die AfD abzieht. Da wird gegen eine dringend notwendige Asylunterkunft in Salem Stimmung gemacht und eine üble Hetze betrieben. In einem Flyer heißt es: „Entgegen unserem Willen wird der millionenfache Bevölkerungsaustausch rigoros durchgezogen“. Herr Gallandt, Herr Döschl, Herr Högel: Dies ist die Sprache der Nazis!! Zu Recht wird die AfD deshalb in einigen Bundessländern vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung agiert. Und in Baden-Württemberg wird die AfD beobachtet.

Und entgegen allen Tatsachen behaupten Sie, dass unsere Straßen unsicher werden, Vergewaltigungen und Messerstechereien ansteigen würden. Sie selbst haben im Jugendhilfeausschuss die Aussagen von Polizeipräsident Uwe Stürmer gehört, dass Kriminalität bei Flüchtlingen sich nicht von der allgemeinen Kriminalität unterscheidet. Dies bestätigt auch der Salemer Postenleiter. Ich zitiere den Südkurier von vorgestern (11.12.2023, S. 19): „Wenn es eine neue Unterkunft gibt, wird deswegen nicht mehr als sonst geklaut und es gibt auch nicht mehr sexuelle Übergriffe am Schlosssee“.

Wider besseres Wissen verbreiten Sie von der AfD Lügen, mit dem Ziel Angst zu schüren. Sie gefährden nicht nur unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern verletzen die Grundfesten unserer Demokratie. Aber genau darum geht es Ihnen offensichtlich.

Und hier möchte ich die Schwäbische Zeitung vom 11. Dezember zitieren, wo Herr Lindenmüller in einem Kommentar zurecht feststellt: „Den Gipfel der Abscheulichkeit hat die AfD erreicht mit ihrem Versuch, Bernhard Straßer öffentlich an den Pranger zu stellen“. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Lob dagegen für die Kreisverwaltung, für Frau Fuchs, für Herrn Stratil und alle anderen, die im Vorfeld der Entscheidung der bevorstehenden Unterbringung von Flüchtlingen in der ehemaligen Supermarkthalle in Salem, mittels eines runden Tisches, die Nachbarn informiert hatten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen. Lassen Sie uns nicht von Rechtsextremisten und Feinden der Demokratie verunsichern bei der Suche nach Lösungen. Streit im positiven Sinne gehört zur Demokratie.

Hetze, Lügen, Fakes, Verschwörungen und Hass sind Feinde der Demokratie. Ich finde des lobenswert, wie Herr Straßer in Salem mit seiner Familie pragmatisch die Flüchtlingsthematik angeht. Nicht nur, dass er zu fairen Mietbedingungen seine Immobilie für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellt, sondern indem er auch Vorschläge zur Lösung der Flüchtlingsfrage macht. Wir als Bodenseekreis werden nicht die Welt im Großen verändern. Aber wir können einen konkreten Beitrag leisten, um die Welt im Kleinen zu verbessern. Wir sollten deshalb den Vorschlag von Herrn Straßer wohlwollend aufgreifen, ein konkretes Projekt in Nigeria, in Ihube und Lokpa zu unterstützen. Ein Projekt, das hilft, Fluchtursachen zu vermeiden. Ein Projekt unter der Federführung der Bodenseeschule, unterstützt von Handwerkern des Bodenseekreises, wie z. B. der Schlosserei Hasenfratz im Deggenhausertal und zahlreichen Paten. Ein Projekt, das über 1.000 Kindern eine Bildungschance bietet und seit 2017 an einer Berufsschule über zehn Ausbildungsgänge anbietet. Ein Wohnheim für die Schüler baut, die sonst lange Schulwege auf sich nehmen müssten. Das meine Herren von der AfD ist gelebte Nächstenliebe und Menschlichkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies war meine letzte Haushaltsrede. Ich möchte mich an dieser Stelle persönlich, aber auch im Namen meiner Fraktion, für das konstruktive Streiten, für das Miteinander bedanken.

Auch möchte ich mich bei Ihnen Herr Prayon für Ihre klare Positionierung, Ihre Offenheit und Fairness bedanken. Sie hatten einen guten Start. Lassen Sie sich auch in Zukunft nicht verbiegen.

Auch bei Herrn Keckeisen, Herrn Hermanns, Frau Schuster und Herrn Wetzel, den Amtsleiterinnen und Amtsleiter und bei der großen Zahl von engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchten wir uns für die gute und gedeihliche Zusammenarbeit, für das Ringen um die besten Lösungen bedanken.

Ich möchte uns allen den Grundsatz, den unsere Verfassungsmütter und Verfassungsväter als Handlungsmaxime formuliert haben, in Erinnerung rufen.

In unserem GG heißt es in Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Daran muss sich auch die Kreispolitik immer messen lassen.

Vielen Dank."

 

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